Was heißt denn überhaupt „Mach dich groß“? Zum einen geht es darum, sich stolz aufzurichten, wie ein Fels in der Brandung. Dass, indem man sich eben nach außen hin groß und selbstbewusst zeigt. Die Wirbelsäule ist bis in die Kopfkrone hinein gestreckt. So trägst du dein Herz mutig vor der Brust und versteckst dich nicht. Die Körperhaltung hat auch viel mit unserem Gemütszustand zu tun. In diesem Blogartikel soll es darum gehen, wie man sich selbst mit einer aufrechteren Körperhaltung etwas Gutes tun kann.
Am besten, wie mit meist allem im Leben, fängt man mit dieser Einstellung schon im Kindesalter an. Wie du es dir vielleicht schon denken kannst, ist die Kinderyogastunde mal wieder ein optimaler Ort, um genau hier anzusetzen. Hast du Lust auf ein paar Ideen, Fragen oder gar Berührungsängste mit dem Thema Wirbelsäule im Kinderyoga? Dann schau direkt mal herein. Hier gibt es einige Tipps um mit Haltungsschulung im Kinderyoga eine gesunde, aufrechte Körperhaltung zu fördern.
Haltungsschulung für Groß und Klein
Beim Yoga kommst du um das Thema Wirbelsäule und Rückengesundheit nicht drum herum. Es begegnet dir auf jeder Matte. Bei Erwachsenen gehört das Thema Verspannungen oder gar Rückenschmerzen mittlerweile leider fast selbstverständlich zum Alltag. In den Familienyogastunden kannst du häufig schon an der Haltung, wie sich Kinder und Eltern auf die Matte setzen erkennen, bei wem der Rücken aktuell ein Thema ist. Eine verkürzte und verspannte Muskulatur macht sich oft durch hochgezogene, nach vorn fallenden Schultern; einen Rundrücken und angespannte Gesichtszüge bemerkbar. Währenddessen sitzen die jüngeren Yogis oft noch recht aufrecht und entspannt mit auf dem „fliegenden Teppich“. Je älter wir werden, umso schwieriger fällt es uns meist „aufrecht durchs Leben zu gehen“.
Bis zum Schulkindalter sind die allermeisten Kinder noch viel in Bewegung. Sie rennen, klettern, rutschen und hangeln und sorgen so ganz natürlich dafür, dass die Muskulatur gestärkt wird. Neue Wachstumsreize können so geboten werden und auch die Dreidimensionale Bewegungsmöglichkeit der Wirbelsäule wird gefördert. Die Kinder sitzen einfach viel, viel weniger. Erst Schulkindalter ändert sich das und sie sitzen immer mehr. Bedingt durch Hausaufgaben, Unterrichtszeit, Schulranzengewicht und Medienzeit in Form von Handy, Tablett und Co. begleitet uns eine vorwiegend sitzende Haltung durch den Tag. Damit einhergehend, ist auch hier eine Haltungsveränderung zu beobachten, der Rücken wird eher krumm und die Schultern nach oben gezogen. Der Kreislauf nimmt nun seinen Gang, wenn wir hier nicht dagegen steuern.
Zukunftsperspektive?!
Na großartig, was soll nur aus uns werden?! Sind wir an einem Punkt angekommen, an dem Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Zähneknirschen einfach schon in jungen Jahren hingenommen werden müssen? Ganz klar: NEIN! Natürlich wächst gefühlt das Stresslevel in allen Lebensbereichen. In unserer schnelleren Welt setzt sich dieser gern bei uns allen im Rücken fest. Es gibt aber die Möglichkeit kleine Stellschrauben zu drehen. Mit Kleinigkeiten kann wieder ein anderes Bewusstsein für die eigene Rückengesundheit geschaffen werden. Erst recht bei den Kleinsten der Gesellschaft. Sie nehmen Impulse gerne auf und haben oft noch ein viel feineres Gespür für den eigenen Körper. Man könnte es also Hilfe zur Selbsthilfe nennen. Mit der Vielseitigkeit eben auch vor allem mit dem Gesundheitsaspekt des Kinderyogas können wir genau hier ansetzen.
Wie kann ich den Kindern eine gesündere Haltung beibringen?
1. Wahrnehmungsschulung
Was ich spüre und kenne, kann ich aktiv beeinflussen! Zeige den Kindern die Wirbelsäule, mach sie erlebbar. Mit einfachen, achtsamen Fühlübungen kannst du die Kinder erspüren lassen, wo die Wirbelsäule entlangläuft. Ihre Anteile knöcherne Struktur und weichere Bandscheiben-Abschnitte kannst zeigen und erklären. Die Wirbelsäule ist zwar stark und richtet uns auf, aber ist in keinster Weise nur ein starrer aufrechter Stab. Mit einem anatomischen Model kann man natürliche Krümmungen und Anteile (Hals-, Brust-, Lendenwirbelsäule und Kreuzbein) sichtbar machen. Einzelne Haltungstipps, sowie Korrekturen werden auf diese Weise verständlicher.
Ich habe ein einfaches Modell aus einem biegsamen Pfeiffenputzer und verschiedenfarbiger Perlen mitgenommen und das ein oder andere „Ahhhh!“ gehört. Nebenbei lässt sich die Funktion als Stütz- und Schütz-Gerüst altersgerecht erklären.
Eine Massageeinheit unterstützt eine lockere Muskulatur, bei der erklärt wird, dass wir vorsichtig nur auf den Muskeln links- und rechtsseitig der Wirbelsäule massieren und keinen Druck auf sie selbst ausüben. Gleichzeitig ist es spannend zu beobachten, wie die kleinen Masseure und Massierten achtsam wahrnehmen. Zusätzlich kann man auch wohltuende Wärmekissen, warme geriebene Hände oder kleine Sandtiere an unterschiedlichen Stellen des Rückens platzieren. Probiere das gerne im Schulkind- oder Teeniealter als Wahrnehmungs- und Entspannungselement im Schulter-Nacken-Bereich oder im unteren Rücken aus.
2. Entspannung und Länge in die Muskulatur bringen
Bei Verspannungen und verkürzter Muskulatur helfen uns gerade die dehnenden Asanas. Sie bringen wieder Länge in die Wirbelsäule und die Muskulatur. Vorbeugen, Rückbeugen, dreidimensonale Bewegungen der Wirbelsäule, durch zum Beispiel das Krokodil, die Eule (Drehsitz) oder die Windmühle, sorgen so dafür, dass sich Verklebungen, Verspannungen bis in tiefe Muskelschichten lösen können. Eine „Schonhaltung“ kann so aufgelöst werden. Manchmal konnte ich schon förmlich beobachten, wie Kinder und Jugendliche sich danach wieder freier bewegen konnten.
Im wahrsten Sinne des Wortes können wir wieder freier durchatmen. Auch die Atmung kann mit einem beweglichen und entspannt aufgerichtetem Rücken wieder freier und tiefer fließen. Egal wie Groß oder Klein die Yogis sind, fast jeder hat auch mal Freude daran, etwas auf dem Kopf aufrecht zu balancieren. Von ganz allein „groß zu werden“. Lass doch einfach ein Kind in der Mitte mit Komplimenten einer „Glücksdusche“ wachsen oder motiviere die etwas Älteren auch mal mit einem Laufsteg-Walk zu aktueller Billi Eilish Musik aufrecht und mit offenem Herzen durch den Raum zu schreiten.
3. Stärkung der Muskulatur
Wenn die Muskulatur wieder entspannter ist und „an Länge gewonnen hat“ ist es wichtig der Wirbelsäule ein ausgewogenes Muskelkorsett als Stütze zu geben. Hierbei sollte immer gleichermaßen das Augenmerk auf Rücken-, Bauch- und Brustmuskulatur gelegt werden, um eine Balance zu schaffen. Falls du dich mit ein paar Yogaasanas auskennst oder sogar selbst Kinderyoga an Kinder weitergeben darfst, fallen dir bestimmt direkt ein paar Yogatiere oder auch andere Asanas für die Körpervorderseite und die Rückseite ein. Für den Bauch und die Brust sind beispielsweise die Yoga-Haltungen das Brett, der herabschauende Hund oder das Boot ein paar Ideen zum Üben.
Teens stöhnen und lieben zugleich die wirkungsvollen Brett-Varianten. Der Tiger mit seinen Variationen oder auch Übungen in Bauchlage, wie der Bogen (die Robbe), die Kobra (Asanavideo „Der Schlangenbeschwörer“) oder die Heuschrecke oder ein fliegender Superheld stärken spielerisch den Rücken. Sind deine Yoginis daheim oder in der Yogastunde noch recht jung oder verspielt kannst du mit Hilfsmitteln arbeiten. Kuscheltiere oder ein Ball machen den etwas „anstrengenderen Teil“ bunter und lebhafter. Diese Hilfsmittel werden gerne mal mit Händen, Füßen oder über die Beine mit einer Rutsche transportiert, geliftet oder balanciert.
Welche Tipps kannst du konkret für die Haltungsschulung mitgeben?
In den Familienyogastunden oder in den Teenyogastunden kannst du recht gut detailliertere Tipps geben. Mache etwas vor oder korrigiere die Teilnehmer, um Schmerzen, Überlastung oder Haltungsschäden zu vermeiden. Wichtig ist hierbei immer, sei ein Vorbild. Achte gut auf deine eigene Ausführung der einzelnen Übung. Zeige an dir, wie sich das Becken kippt, dass der Bauchnabel eher in Richtung Wirbelsäule eingezogen wird, um so ein Hohlkreuz zu vermeiden. Zeige wie die Schultern nach hinten unten kommen und die Schulterblätter „Engelsflügelgleich“ anliegen…
- Fersensitz: Achte beim Fersensitz darauf, dass das Kind nicht zu stark ins Hohlkreuz fällt, das passiert eher, wenn die Zehen zu stark zueinander zeigen. Es reguliert sich wieder, wenn die Zehen weiter auseinander gehen (Achtung: nicht bei Knieschmerzen).
- Bei Haltungen wie der Held 1 oder Held 2 kann es passieren, dass die Kinder in ein deutliches Hohlkreuz fallen. Sollte das öfter passieren, kann man darauf achten, dass das Schambein vorn eher hochgezogen wird und dass sie den Bauchnabel nach innen ziehen.
- Für die Asana Stuhl/ Blitz Haltung kannst du mitgeben, dass das Becken eher nach vorn gekippt wird.
- Bei der Kobra die Ellenbogen nah am Körper halten und das Schambein in die Matte drücken, um den unteren Rücken zu schützen.
- Allgemein kann man sagen, dass unser Körper sich wie ein starker Baum aufrichtet. Halt findet er schon bei den Füßen, dem Wurzelwerk. Werden die Füße gleichmäßig belastet (Verteile dazu das Gewicht gleichmäßig zwischen Großzehenballen, Kleinzehenballen und Ferse) können wir uns von hier aus stabil nach oben strecken.
Welche Veränderungen des Halteapparates können dir bei deinem (Yoga-)Kind schon früh begegnen?!
Auch im Kindesalter können dir schon Haltungsfehler oder gar Erkrankungen und Fehlstellungen der Wirbelsäule begegnen.
Skoliose:
Dies ist eine 3-dimensionale Verdrehung der Wirbelsäule (diese kannst du gut in der Vorbeuge sehen!) Hier ist eine gute Muskelbalance und Länge für den Körper wichtig!
Hyperlordose (Hohlkreuz):
Dies ist eine Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule (LWS). Das Becken verlagert sich und die Bauchpartie tritt hervor; dies führt zu Verspannungen, Reizungen, Schmerzen. Ursachen können zum Beispiel eine Fehlhaltung sein, eine zu schwache Bauchmuskulatur, Bewegungsmangel oder Überlastung (z.B. beim Leistungsturnen), oder eine Hüftfehlstellung. Ein Korrekturansatz kann ein ausgleichendes Training der Bauch- und Rückenmuskulatur sein. Dehnhaltungen lösen Spannungen. Entspannungselemente und Atemübungen helfen bei Schmerzen oder eine „Beckenkorrektur“ bei der Haltungsschulung.
Hyperkyphose (Buckel der BWS):
Sie führt zu Schmerzen durch Verspannungen und Reizung. Die Schultern „hängen“ eher nach vorn und die Bauchmuskulatur verkürzt. Der Ansatz, um hier etwas Erleichterung zu schaffen ist hier wieder die Haltungsschulung (Rückenaufrichtung, der Kopf strebt nach oben, die Schultern liegen „flügelähnlich“ hinten nach unten gleitend am Rücken an…) Ebenso wie ein ausgleichendes Training der Brust- und Bauchmuskulatur. Wärmeelemente dienen der Entspannung.
Kinderyoga für eine gesunde Körperhaltung
Hier verraten dir Stefanie Weyrauch und Sabine Blum, das Trainerteam der Yogastern-Akademie für den Bereich Kinderyoga & Teenyoga, ihre Tipps!
Hab keine Scheu davor einem Kind, welches bereits Haltungsschwächen oder gar eine Erkrankung hat, die Welt des Kinderyogas zu zeigen. Es gibt immer eine Möglichkeit etwas mitzugeben. Informiere dich genau bei den betroffenen Eltern, einem Arzt/ Ärztin oder Physiotherapeutin deines Vertrauens. Frage auch immer die Kinder selbst, wie es ihnen bei den Übungen geht. Wenn es an einem Tag „nur“ eine Massage oder Entspannungseinheit sein kann, dann kannst du aber diese mitgeben und für einen Loslass-Moment sorgen, der Körper und Seele guttut.
Dies sind ein paar Ansätze um Yoga als unterstützendes Element für eine gesunde aufrechte Körperhaltung auszuprobieren und für sich zu entdecken. Ohne viel Aufwand und spielerisch kannst du bei dir und den kleineren Yogis viel erreichen. Lass sie sich „groß machen“ in ihrer, unserer Welt! Lass sie die Faszination Wirbelsäule erleben, deren Entwicklung und Reifung schon im Mutterleib in der „Kindhaltung“ beginnt und ihren Lauf nimmt.
Lust auf mehr?! Dann schau dir doch einzelne Asanavideos aus dieser Kinderyoga-Playlist oder Massageanleitungen im Yogastern-Blog wie diese Eltern-Kind-Massage an.
Alles Liebe,
deine Biene
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